Das OLG Hamm hat sich in einer aktuellen Entscheidung zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht in Fällen befasst, in denen mehrere echte Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Im Streitfall verlangt das OLG bei einer relativen Indikation zur Operation an der Lendenwirbelsäule eine dezidierte Aufklärung über die echte Alternative einer konservativen Behandlung.
Besteht für den Patienten eine echte Wahlmöglichkeit, dann muss ihm durch eine entsprechend vollständige Aufklärung die Entscheidung darüber überlassen bleiben, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Je weniger dringend der Eingriff nach medizinischer Indikation und Heilungsaussicht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht für den Patienten ist, desto umfassender und konkreter hat die Aufklärung zu erfolgen. Dabei ist bei einer nur relativ indizierten Operation regelmäßig auch eine gleichzeitige Aufklärung über die Möglichkeit einer abwartenden Behandlung oder des Nichtstuns geboten.
Im streitgegenständlichen Fall hatte der behandelnde Arzt den Patienten nicht darüber aufgeklärt, dass anstelle des operativen Eingriffs auch eine konservative Behandlung möglich gewesen wäre. Nach Auffassung des OLG ist insoweit die erteilte Einwilligung des Patienten in die Operation nicht wirksam; auch von einer hypothetischen Einwilligung sei nicht auszugehen. Infolge des somit nicht gerechtfertigten operativen Eingriffs hatte der Patient eine chronische inkomplette Kaudalähmung mit erheblichen Einschränkungen seiner Mobilität, eine dauerhafte Störung seiner Sexualfunktion sowie eine sich hierdurch entwickelnde depressive Störung erlitten, die eine Schmerzensgeldzahlung i. H. von 75.000 Euro rechtfertigte. Auch den materiellen Schaden hat der Arzt zu ersetzen.
OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2017, 26 U 3/14