Im Arzthaftungsprozess dürfen an die Substantiierungspflicht von Patienten nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Dies gilt auch für Einwendungen gegen ein vom Gericht eingeholtes Gutachten. Der Patient ist nicht verpflichtet, seine Einwendungen gegen das Gutachten bereits in der I. Instanz auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen.

Auch eine Verpflichtung, selbst bzw. durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten zu formulieren, besteht nicht. Legt eine Partei daher im Arzthaftungsverfahren ein erst nach Abschluss der Instanz eingeholtes Privatgutachten vor, kann dieser Vortrag auch dann nicht zurückgewiesen werden, wenn er ein in medizinischer Sicht „neues“ Vorbringen enthält, das in erster Instant nicht Gegenstand der Beweisaufnahme war.

OLG Dresen, Urt. v. 14.9.2021 – 4 U 1771/20