Nach einer aktuellen insolvenzanfechtungsrechtlichen Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes kann das Vorliegen der der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) nicht mehr allein damit begründet werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist.

Der Insolvenzsenat des höchsten deutschen Zivilgerichts setzt seine mit den Urteilen vom 1.6.2017 (IX ZR 114/16 und IX ZR 48/15) vorsichtig eingeläutete Rechtsprechungsänderung fort. Bislang hatte sich der Grundsatz herausgebildet, dass ein Schuldner, der seine eigene Zahlungsunfähigkeit kenne, durch Zahlungen an seine Gläubiger gleichzeitig die Benachteiligung der Gesamtheit seiner (auch künftigen) Gläubiger jedenfalls billigend in Kauf nehme. Ebenso wurde aus der erkennbaren Zahlungsunfähigkeit der Schluss gezogen, dem Gläubiger sei die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners bekannt. Als Folge dieser Rechtsprechung konnten Insolvenzverwalter zumeist mit guten Erfolgsaussichten in Vorsatzanfechtungsprozessen rechnen.

Der IX. Zivilsenat hält an dieser bisherigen Rechtsprechung nun nicht mehr uneingeschränkt fest. Der Schuldner handle bei erkannter Zahlungsunfähigkeit nur dann mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können; dies richte sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen. Spiegelbildlich gelte, dass der Anfechtungsgegner im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt zusätzlich wissen müsse, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht werde befriedigen können.

Im Anwendungsbereich des § 133 InsO wird der vom Insolvenzverwalter zu führende Nachweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners im Ergebnis deutlich erschwert.

BGH, Urt. v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20