Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat in einem Berufungsverfahren einseitig gestellte, formularmäßige „Stellvertretervereinbarungen“ in Wahlleistungsvereinbarungen für unzulässig erachtet, wenn die Verhinderung des Chefarztes schon im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung ebenso feststand wie die Hinzuziehung eines anderen Arztes zur Behandlung.

In solchen Fällen seien Stellvertretervereinbarungen nur als Individualvereinbarungen zulässig. Die Geltendmachung der Honorarforderung durch den Chefarzt erachtete das OLG als unzulässige Rechtsausübung.

Die Parteien stritten um die Bezahlung ärztlicher Behandlungen im Rahmen von Stellvertretervereinbarungen gemäß einer geschlossenen Wahlleistungsvereinbarung. Der privatliquidationsberechtigte Klinikdirektor verlangte die Begleichung seines Honorars für die von ihm erbrachten Wahlleistungen, wobei die Behandlungen der Patientin von vielen verschiedenen Ärzten durchgeführt worden waren (von insgesamt 26 Operationen hat der Klinikdirektor lediglich 3 persönlich durchgeführt, 23 wurden von anderen Ärzten vorgenommen). Die diesbezüglichen Stellvertretervereinbarungen einschließlich der Mitteilung der Verhinderung des Klägers waren offenbar jeweils erst nach Durchführung der Behandlungen abgeschlossen worden. Die Zahlungsklage des Klinikdirektors wurde vom Landgericht Hamburg (Urt. v.  30.8.2016, AZ 310 O 80/15) weitestgehend abgewiesen, wogegen der Kläger Berufung zum OLG Hamburg einlegte.

Das OLG stellte in einem Hinweisbeschluss fest, dass die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg habe. Der formularmäßige Abschluss von Stellvertretervereinbarungen sei unwirksam, wenn – wie im Streitfall – diese auf einer schon bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung für den Wahlarzt vorhersehbaren Verhinderung beruhten und die Stellvertretervereinbarung nur in formaler Hinsicht auf eine Vielzahl von Einzelvereinbarungen gestreckt werde, obwohl bereits bei Abschluss zugrunde liegenden Wahlleistungsvereinbarung für den Arzt feststehe, dass er seiner persönlichen Leistungspflicht nicht durchgehend nachkommen kann und will, sondern die den Kern seiner Leistungspflicht betreffenden ärztlichen Behandlungen auf jeweils zur Verfügung stehende Ober-, Fach- und Assistenzärzte übertragen werden wird.

Wer von Patienten das Honorar für seine wahlärztlichen Leistungen einfordere, obwohl er diese in vorhersehbarer Weise nicht persönlich erbracht hat und die Zulässigkeit der jeweiligen Vereinbarungen dann dadurch zu wahren versuche, dass er Patienten im Mantel einer „Individualvereinbarung“ seine Vertragsbedingungen als AGB stelle, handle – so das OLG Hamburg – in hohem Maße treuwidrig.

OLG Hamburg, Hinweisbeschluss vom 15.1.2018 – 3 U 220/16