Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung zum Insolvenzanfechtungsrecht klargestellt, dass in Fällen, in denen der Schuldner ein Verhalten zeigt, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, auch dann Zahlungseinstellung vorliegt, wenn der Schuldner nur zahlungsunwillig ist.
Der IX. Zivilsenat führt damit seine strenge Linie fort und macht es Gläubigern schwer, sich unter Hinweis auf eine möglicherweise vorliegende bloße Zahlungsunwilligkeit der Anfechtung zu entziehen. Für die Frage, ob bloße Zahlungsunwilligkeit oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt, soll es – so der BGH – auf den nach außen hervortretenden, objektiven Eindruck ankommen. Verhält sich ein Schuldner wie jemand, der seine Zahlungen eingestellt hat, soll zunächst von Zahlungsunfähigkeit auszugehen sein. Der in Anspruch genommene Anfechtungsgegner hat dann lediglich die Möglichkeit, durch ein Liquiditätsgutachten unter Beweis zu stellen, dass ausreichende Mittel zur Verfügung standen.
Trotz der im Jahr 2017 an einigen Stellen vom BGH vorgenommenen, für Gläubiger im Grundsatz positiven – wenn auch bestenfalls „homöopathischen“ – Korrektur seiner strengen Linie bleibt das Insolvenzanfechtungsrecht ein für Gläubiger hochriskantes Rechtsgebiet. Hieran hat sich auch durch die jüngste Reform des Anfechtungsrechts nichts Grundlegendes geändert: Dass es nicht auf die tatsächlichen finanziellen Gegebenheiten beim Schuldner, sondern auf den „objektiven“ Eindruck eines vermeintlich typischen Verhaltens ankommen soll, erscheint kritikwürdig: Dies insbesondere in Zeiten, in denen es in vielen Bereichen der Wirtschaft um die Zahlungsmoral nicht immer ideal bestellt ist und Schuldner, die sich ihren Zahlungsverpflichtungen systematisch entziehen, in nicht zu unterschätzender Zahl vorhanden sind. Der Begriff der Zahlungseinstellung wird auf diese Weise immer mehr zu einer typisierten Betrachtung, gar zu einer Art von Fiktion.
Es bleibt dabei, dass Gläubiger Gefahr laufen, mehrere Jahre nach erfolgreichem Inkasso die damals vereinnahmten Beträge an die Insolvenzmasse zurückzahlen zu müssen. Bei schlecht zahlenden Schuldnern sollte daher frühzeitig geprüft werden, ob und ggf. wie sich mögliche Anfechtungsrisiken ausschließen oder einschränken lassen.
BGH, Urt. v. 12.10.2017, IX ZR 50/15