Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass bei einem bargeschäftsähnlichem Leistungsaustausch aus dem Wissen des Gläubigers um die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zwingend auf eine vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligungshandlung des Schuldners geschlossen werden kann.
Im Streitfall hatte der Beklagte dem späteren Insolvenzschuldner Getränke geliefert. Nach mehreren Rücklastschriften wurden Lieferungen nur noch gegen Vorkasse erbracht. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens forderte der klagende Insolvenzverwalter vom Beklagten Zahlungen des Insolvenzschuldners in Höhe von rund 28.000,00 EUR aus dem Jahr 2011 zurück, da der Schuldner diese Zahlungen nach Eintritt der (zumindest drohenden) Zahlungsunfähigkeit erbracht habe. Der Schuldner habe damit seine anderen Gläubiger vorsätzlich benachteiligt, was der Beklagte erkannt habe.
Der u.a. für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des BGH hat die Revision des Klägers gegen das klageabweisende Berufungsurteil zurückgewiesen. Nach Ansicht des BGH gilt, dass in Fällen, in denen der Schuldner mit einem Gläubiger (dem hiesigen Beklagten) in bargeschäftsähnlicher Weise Leistungen austauscht, allein aus dem Wissen des Gläubigers um die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zwingend auf sein Wissen von einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung geschlossen werden kann. Ein solcher Schluss setze – so der BGH – das Wissen des Gläubigers voraus, dass die Belieferung des Schuldners mit gleichwertigen Waren für die übrigen Gläubiger nicht von Nutzen sei, weil der Schuldner fortlaufend unrentabel arbeite und weitere Verluste erwirtschafte.
Das Urteil zeigt erneut, dass es in den in der Praxis sehr bedeutenden Fällen der Insolvenzanfechtung auf eine Einzelfallbetrachtung unter Würdigung der Gesamtumstände ankommt. Allein die Zuwendung von Geldmitteln führt, jedenfalls bei gleichwertigem Leistungsaustausch (sog. „kongruente Deckung“), nicht zwingend zu einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung bzw. zu einer Kenntnis des Gläubigers hiervon.
BGH, Urt. v. 04.05.2017, IX ZR 285/16