Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zur Immobilie gewährt, erfüllt hierdurch seine Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit er aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles davon ausgehen darf, dass der Käufer durch Einsichtnahme in die Daten Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird.
Im Streitfall hatte die Beklagte (i.F.: Verkäufer) der Klägerin (i.F.: Käufer) im Jahr 2019 – unter Ausschluss der Gewährleistung – mehrere Gewerbeeinheiten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft verkauft. In dem Kaufvertrag hatte der Verkäufer versichert, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe, mit Ausnahme eines Beschlusses über die Dachsanierung. Zudem versicherte der Verkäufer, dass nach seiner Kenntnis außergewöhnliche, durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckte Kosten im laufenden Wirtschaftsjahr nicht angefallen seien und ihr auch nicht bekannt sei, dass solche Kosten bevorstünden oder weitere Sonderumlagen beschlossen worden seien. Im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen hatte die Käuferseite Zugriff zu einem virtuellen Datenraum erhalten, über den Zugriff auf verschiedene Unterlagen zum Kaufobjekt genommen werden konnte. Hierzu gehörte u.a. die Beschlusssammlung der der Eigentümerversammlungen seit 2007.
Die Klägerin wurde als Eigentümerin der Einheiten in das Grundbuch eingetragen. Im Nachgang focht sie den Kaufvertrag mit der Begründung an, die Verkäuferseite habe ihr arglistig verschwiegen, dass ein Rechtsstreit geführt wurde, aus dem sich die Gefahr erheblicher Sonderumlagen ergeben habe. Die Klage – insbesondere auf Freistellung von den Finanzierungsverpflichtungen, Zug um Zug gegen Übereignung der Gewerbeeinheiten und Abtretung der Rückgewähransprüche bezüglich der eingetragenen Grundschulden sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden und des Annahmeverzugs wurde in den Vorinstanzen abgewiesen.
Der Revision der Klägerin gab der BGH überwiegend statt.
Das Gericht führt zwar aus, dass ein Verkäufer, der dem Käufer einer Immobilie Unterlagen zum Objekt – im Streitfall über einen virtuellen Datenraum – zur Verfügung stellt, grundsätzlich keine Aufklärungspflich hinsichtlich offenbarungspflichtiger Tatsachen erfüllen könne. Dies aber nur, wenn er nach den konkreten Umständen des Einzelfalles davon ausgehen dürfe, dass der Käufer die Informationen auch (rechtzeitig) zur Kenntnis nimmt. Führt der Käufer keine Due Diligence durch, wird eine darübergehende Aufklärung erforderlich sein. Doch auch bei einer Due Diligende komme es auf den EInzelfall an, etwa den Umfang und die Strukturierung der Daten. Ferner müssten ggf. Hinweise auf nachträglich eingestellte Dokumente erfolgen. Das war hier nicht der Fall.
BGH, Urt. v. 15.09.2023 – V ZR 77/22